Jugendstrafrecht

I. Abgrenzung zum Erwachsenenstrafrecht

Das Jugendstrafrecht ist eigentlich ein Jugendstrafverfahrensrecht. Bedeutsame Unterschiede zum Erwachsenenstrafrecht ergeben sich nur im Verfahrensrecht. Auf der anderen Seite bedeutet dies, dass das, was für einen Erwachsenen strafbar ist, auch für einen Jugendlichen strafbar ist.

Ein Jugendlicher kann dann für seine Taten zur Verantwortung gezogen werden, wenn er zum Zeitpunkt der Tat das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat. Gleichzeitig muss er in der Lage gewesen sein, das Unrecht seiner Tat einzusehen und danach auch zu handeln. Diese Voraussetzung wird man nur in Einzelfällen in Abrede stellen können.

Heranwachsender ist, wer zum Zeitpunkt der Tat das 18., aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat. Ob auf einen Heranwachsenden Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht angewandt wird, hängt davon ab, ob der Täter nach seiner "sittlichen und geistigen Entwicklung" eher einem Jugendlichen oder eher einem Erwachsenen entsprach [BGH BGH 1 StR 211/01].

Ein wichtiges Kriterium für diese Unetrscheidung kann die Art der Tat sein; durch die Rechtsprechung wurden einige "jugendspezifische" Delikte identifiziert. Diesen Delikten ist gemein, dass sie aufgrund der Art ihrer Begehung in besonderem Maße "jugendlichen Leichtsinn" widerspiegeln und einen Mangel an Ausgeglichenheit, Besonnenheit und Hemmungsvermögen offenbaren. Grundsätzlich ist jedoch kein Delikt von vornherein ausgeschlossen.

Verschiedene Delikte im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen gelten als jugendspezifisch.

Fahren ohne Fahrerlaubnis (AG Saalfeld vom 08.07.2003 - 675 Js 1800/03 2 Ds jug.)

Nötigung (Straßenverkehr) (OLG Saarbrücken NStZ-RR 1999, 284 f.) (LG Gera StV 1999, 661)

Sprühen von Graffitis (OLG Düsseldorf NJW 1999, 1199)

Die Altersbestimmung kann im Zweifelsfalle auch durch einen Sachverständigen erfolgen. Dies kann auch durch eine Röntgen- und CT-Untersuchung der Schlüsselbeine erfolgen (HansOLG Hamburg, Beschluss vom 09.12.2004, 1 Ss 211/04).

Der "In dubio pro reo"-Grundsatz gilt auch hier: Im Zweifel ist Jugendrecht anzuwenden.

II. Rechtsfolgen

Gerade in den Rechtsfolgen bestehen große Unterschiede zum Erwachsenenstrafrecht. Das JGG hält ein abgestuftes Sanktionssystem bereit:

1. Erziehungsmaßregeln und Weisungen

Die mildeste Sanktion ist die Erziehungsmaßregel. Erziehungsmaßregeln können Weisungen und die Anordnung der Inanspruchnahme von Hilfe zur Erziehung sein.

Unter Weisungen sind die Lebensführung des Jugendlichen betreffende Ge- und Verbote zu verstehen. Das Gericht ist in der Wahl der Weisungen relativ frei; vom Gesetz vorgeschlagene Weisungen sind zB die Teilnahme an einem sozialen Trainingskurs, die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs oder die Teilnahme an einem Verkehrsunterricht. Das Gericht kann aber auch die Weisung erteilen, innerhalb einer bestimmten Frist eine Fahrerlaubnis zu erwerben (AG Saalfeld vom 08.07.2003 - 675 Js 1800/03 2 Ds jug.).

2. Zuchtmittel

Zuchtmittel nach dem JGG sind die Verwarnung, die Erteilung von Auflagen, und der Jugendarrest.

Innerhalb de Zuchtmittel ist die Verwarnung die mildeste Sanktion; mit ihr soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat "vorgehalten" werden.

Folgende Auflagen sieht das Gesetz vor:

- das Bemühen um Schadenswiedergutmachung

- eine persönliche Entschuldigung

- Arbeitsleistungen

- Zahlung eines Geldbetrags an eine gemeinnützige Einrichtung

Der Jugendarrest ist das gravierendste Zuchtmittel; er kann dem Jugendlichen in Form von Freizeit-, Kurz- oder Dauerarrest auferlegt werden.

3. Jugendstrafe

Die Jugendstrafe soll verhängt werden, wenn wegen der "schädlichen Neigungen" des Jugendlichen andere Sanktionen keinen Erfolg versprechen oder wenn Jugendstrafe wegen der "Schwere der Schuld" erforderlich erscheint.

a) Schädliche Neigungen

Schädliche Neigungen werden von der Rechtsprechung als "Mängel der Charakterbildung" bezeichnet [BGH 4 StR 15/01]. Diese Definition ist ähnlich schwammig wie der Gesetzeswortlaut. Es haben sich im Laufe der Zeit jedoch verschiedene Fallgruppen herausgebildet, bei denen von schädlichen Neigungen nicht auszugehen ist.

Negativ abgegrenzt sollen schädliche Neigungen dann vorliegen, wenn die Tat Ausdruck einer kriminellen Entwicklung ist, ohne dass sie Ausnahme-, Not-, Spontan- oder Bagatellcharakter hat [OLG Hamm StV 99, 658].

Die schädlichen Neigungen müssen noch zum Urteilszeitpunkt vorliegen; bei einem Angeklagten, der bereits drei Monate in Untersuchungshaft verbracht und dort eine positive Entwicklung genommen hat, sind hierzu besondere Feststellungen nötig [OLG Köln Ss 435-436/02].

b) Schwere der Schuld

Eine Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld kommt dann in Betracht, wenn die Tat besonders schwer wiegt. Grundsätzlich legen Kapitalverbrechen die Annahme der Schwere der Schuld nahe. Es kommt also auch auf die objektive Schwere der Tat an. Weiter muss diese Tat dem Angeklagten auch persönlich vorwerfbar sein. Schließlich dürfen einer Jugendstrafe keine erzieherischen Gesichtspunkte entgegenstehen. Der Erziehungsgedanke steht auch hier im Vordergrund, auch wenn er nicht allein entscheidend ist.

 

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